Das Wasserschloss
Die Geschichte des Wasserschlosses Reelkirchen reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, als Hermann VIII. von Mengersen das Dorf Reelkirchen und einen Meierhof als Lehen des Bischofs von Paderborn im Jahr 1523 übernahm.
1550 ließ er eine große Scheune (Zehntscheune) auf dem Gelände errichten. Etwa zur gleichen Zeit wurde die Anlage von einem Wassergraben umgeben, der heute noch von einem Bach gespeist wird. Die Sicherung der Insel erfolgte über eine Zugbrücke. Da die Familie von Mengersen ihren Stammsitz in Rheder hatte, wurde erst 1566 ein Wohnhaus auf der Insel errichtet. Auf der Südseite der Gräfteninsel befindet sich die wehrhafte Vorburg. Erbaut wurde Sie wahrscheinlich in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts (z.T. bereits in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts). Nur die Außenseite wurde in verputztem Bruchsteinmauerwerk errichtet, das übrige in Fachwerk. Die Außenfront war ursprünglich mit kleinen Fenstern und zwei Schießscharten für Handfeuerwaffen versehen. Die westliche Ecke bildet ein kleiner eckturmartiger Vorbau mit Schießscharten. In der Mitte des Flügels befindet sich die rundbogige Tordurchfahrt. Beiderseits der Tordurchfahrt wurden Sandsteinreliefs mit den Vollwappen des Hermann von Mengersen (+ 1638) und seiner Gemahlin Agnes von Freitag eingesetzt. Die Wappen sind flankiert von Pilastern.
Der mittlere Raum des Herrenhauses an der Vorderseite bildet das Treppenhaus. Die einläufige Holztreppe führt, rechtwinklig gebrochen, an den Wänden entlang, hat aber auf beiden Seiten Geländer, dessen Bretter mit flachgeschnitzten Blüten verziert sind; besonders reich sind die Eckpfosten mit kräftigen S-Voluten und flachgeschnitzten Blütenranken, an einer auch ein Papagei, gestaltet. Die Treppe führt bis zum Mansardgeschoss hinauf, die Fortsetzung zum Dachboden ist mit Halbbalustern ausgeführt.
Die bauzeitlichen kassettierten Zimmertüren sind größtenteils erhalten. Im Mittelraum des Obergeschosses, dem sogenannten Musikzimmer befindet sich ein Werkstein-Kamin aus der Bauzeit mit Seitenpfosten und geschweiftem Aufsatz mit Festons. Bemerkenswert ist ein Zimmer im Obergeschoss mit vollständig erhaltener Grisaille-Tapete (um 1810). Die Tapetenmalerei zeigt venezianische Szenen. Sie stammt von einem unbekannten französischen Hersteller und ist nur noch einmal in Deutschland und elfmal in unterschiedlichen Bundesstaaten der USA erhalten.
Bis zum Jahre 2013 blieb die Anlage im Familienbesitz und wurde vor allem im 20. Jahrhundert häufig verpachtet. Von 1907 bis 1935 pachtete Dr. phil. Frucht, ein ehemaliger Handelsschuldirektor, das Herrenhaus und bewohnte es mit seiner vielköpfigen Familie. Zudem betrieb er hier ein Töchterpensionat, in dem auch junge Frauen aus dem Ausland lebten und unterrichtet wurden. Seine Tochter Elsa berichtete vom umtriebigen und illustren Leben in der Anlage: „Die Eltern hatten ein offenes Haus; es waren fast immer Gäste da. Natürlich wurden auf dem Burggraben bei Vollmond Bootsfahrten unternommen und dazu auf Gitarre und Laute gespielt und gesungen. Es gab Gartenfeste mit Lampionbeleuchtung und Schleiertänze auf dem Rasen, im Freien Theateraufführungen.“ Im Jahre 1935 renovierte die Familie von Mengersen das Herrenhaus, sowie die Nebenanlagen und den Park der Gräfteninsel und zog wieder selber in Ihren Besitz. Im Zweiten Weltkrieg wurde in der Anlage Wohnraum zunächst für Ausgebombte aus dem Westen und dann auch für Flüchtlinge aus dem Osten beschlagnahmt. Mitte 1944 mietete sich die „Ruhrchemie“ aus Oberhausen, eine der bedeutendsten chemischen Industrien des Ruhrgebietes, mit einem Stab von Wissenschaftlern ein, die auch ihre wertvolle Patentabteilung hier unterbrachte, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Bei Kriegsende 1945 bezog eine Abteilung des amerikanischen Secret Service das Anwesen und beschlagnahmte die Unterlagen der „Ruhrchemie“. Familie Mengersen musste ihren Besitz verlassen und konnte ihn erst drei Jahre später wieder bewohnen. In dieser Zeit einquartierte Flüchtlinge aus Schlesien bauten sich die Mansarde aus.
Textquelle:Reelkirchen – Geschichte eines lippischen Kirchdorfes, von Heinrich und Berta Plöger, Herausgegeben von der Gemeindeverwaltung 1967